Meine drei wichtigsten Erkenntnisse und was die tägliche Praxis mit mir gemacht hat
Eigentlich begleitet mich Yoga bereits seit mehr als 7 Jahren. Als ich anfing, faszinierten mich vor allem die Körperbeherrschung und die beeindruckenden Posen erfahrener Yogis. Später wollte ich Yoga als Element meiner Selbstliebepraxis in meinen Alltag integrieren. Immer wieder probierte ich unterschiedliche Stile, besuchte sogar mehrmals ein Ashram (Yoga-Kloster) – aber eine tägliche Praxis hielt ich maximal zwei Monate durch, bis der Schlendrian wieder einzog. Die Philosophie, das „warum“ hinter der Praxis hatte ich bereits näher im Ashram kennengelernt, aber diese wirklich zu leben und im Alltag regelmäßig umzusetzen fiel mir relativ schwer. Denn was unter perfekten Bedingungen im Yoga-Kloster klappt, besteht noch noch lange nicht den Alltagstest!
Morgens war das Bett irgendwie besonders schön warm und kuschlig und ich schwöre, dass „Morgenminuten“ so etwas ähnliches sind wie Hundejahre: Um 7 Uhr morgens entsprechen 5 Minuten auf Instagram 20 echten Minuten. Und schwups ist ein Morgen um, Hektik bricht aus – und wo ist eigentlich mein Lieblings-Shirt?!
Abends nach der Arbeit bitte erstmal eine Portion Sofa. Bewegung? Nagut, aber bitte nur zum Kühlschrank (oder ins Bett). Irgendwie fand ich einfach nicht den richtigen Dreh, die richtige Uhrzeit, das richtige Mindset. Und darunter litt meine Selbstlieberoutine.
Normalerweise nehme ich mir nie Dinge zum neuen Jahr vor. Ich brauche keinen besonderen Tag im Kalender, um einen Anfang zu machen – denn jeder Tag kann ein Neubeginn sein! Aber manchmal… manchmal ruft mich eine Sache, ein Projekt, ein Buch dann irgendwie doch. Manchmal sogar zu einem bestimmten Datum. Als die Matte mich rief war es gerade zufällig Ende Dezember – warum, nicht am ersten Januar starten, dachte ich mir. Ich spürte, wie es mich wieder zu meiner Matte zog, wie ich mich nach einer Routine sehnte und entdecken wollte, was Yoga mit mir anzustellen vermochte – oder andersrum: Wie ich Yoga für mich und meine Selbstliebepraxis nutzen könnte.
Yoga: Historische Praxis für mehr Selbstliebe
Yoga, das sind nicht nur die abgefahrenen (wunderschönen!) Verrenkungen, die wir unter dem Hashtag #yogaeverydamnday auf Instagram bewundern dürfen. Nein, tatsächlich gehört noch viel mehr dazu. Zum Yoga gehören auch Meditation, Atemübungen, Mantren. Gerade in unserer westlichen Welt gibt es sicher viele Yogis und Yoginis, die von der Ästhetik angezogen werden – und das ist total okay. Für mich ist es gleichzeitig auch interessant, die Hintergründe, das große Zusammenspiel der einzelnen Elemente dieser uralten Praxis kennenzulernen.
Die Ursprünge des Yoga liegen bereits vor über 2500 Jahren in Indien. Das Ziel: Mit gleichermaßen körperlicher und geistiger Anstrengung und Achtsamkeit einen Ausgleich zwischen dem Physischen und dem Psychischen zu erreichen und so einen ausgeglichenen Zustand. im Westen kam es erst in den 1950ern – aus den USA verbreitete sich Yoga in die ganze Welt und entwickelte sich währenddessen stetig weiter. Heute gibt es zahlreiche Yoga-Stile – von schweißtreibend bis ruhig, von sportlich bis spirituell. Neben dem Aspekt der körperlichen Ertüchtigung scheint Yoga aber auch psychische Benefits mit sich zu bringen: Ausgeglichenheit, Ruhe, Achtsamkeit, Selbst-Mitgefühl und mehr noch: ein wirksames Mittel bei Angstzuständen, Depressionen und zur Burnout-Prävention. Für mich Grund genug, Yoga für mehr Selbstliebe in meine Morgenroutine zu integrieren!
Möchtest du mehr zur wissenschaftlichen Basis von Yoga erfahren? Schreib es mir in die Kommentare!
Das Experiment: Selbstliebe und Yoga
Meine erste Yogastunde im neuen Jahr fand praktischerweise im Rahmen eines Workshops statt, den ich über Silvester besuchte. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt über 6 Monate meine Matte mit dem Allerwertesten nicht angeschaut – und auch sonst keinen intensiven Sport gemacht. Daher freute ich mich auf eine entspannte Anfängerstunde, um langsam wieder reinzukommen. Ich erwartete beruhigende Klänge und sanfte Dehnung. sozusagen ein gemütlicher Einstieg nach der langen Pause.
Pustekuchen.
Das Universum hatte einen anderen Plan… Statt ein paar entspannten Posen und langer End-Entspannung warteten 90 Minuten intensiver, zügiger Flow auf mich. Das war eine ganz schön ernüchternde Erfahrung, muss ich gestehen! Denn anstatt mit meinen Vorkenntnissen glänzen zu können (wie ich insgeheim und eitel gehofft hatte), schwitzte und schnaufte und zitterte ich, wie alle anderen auch. Es war wunderbar. Die nächsten drei Tage konnte ich mich nicht bewegen.
Seit dieser ersten Stunde am 01.01.2020 habe ich durchgängig, mit wenigen Ausnahmen, jeden Tag Yoga praktiziert. Egal, ob es ein herausfordernder 45 Minuten Flow oder 5 Minuten sanfte Dehnung waren – mein Ziel war es, jeden Tag meine Matte aufzusuchen. Meistens nehme ich mir morgens 20 bis 30 Minuten Zeit: In meinem Wohnzimmer, auf meiner Matte und mit einem Youtube-Tutorial. Häufig zieht es mich zu zügigeren Vinyasa-Flows, aber ich versteife mich nicht auf eine Richtung, sondern höre bestmöglich auf mein tagesaktuelles Gefühl. Immer öfter folge ich aber auch meinem eigenen Körper und kreiere meine eigenen Bewegungsabläufe. Seit sieben Monaten bin ich also jeden Tag auf der Matte – und ich hätte nie für möglich gehalten, was für eine Veränderung ich erleben würde.
Übrigens habe ich nach den 200 Tagen nicht aufgehört: Meine tägliche Praxis geht weiter und ich genieße es sehr.
Yoga und Selbstliebe – meine wichtigsten Erkenntnisse
- Selbstliebe beginnt damit, mir Zeit für mich selbst zu nehmen
Morgens, wenn der Wecker geklingelt, ich mich aus dem Bett geschält und meine Zähne geputzt habe, springe ich auf meine Yogamatte. Ich suche mir ein zu meiner Tagesstimmung und -form passendes YouTube Video aus, oder bewege mich einfach meinem Gefühl entsprechend. In dieser Zeit ist das Handy aus und liegt weit weg im Schlafzimmer. Ich höre kein Radio und lese keine News oder Nachrichten. Diese Zeit gehört mir ganz allein! Ich liebe diese Zeit am Morgen und diese Routine ist mir richtig heilig geworden. Mich selbst zu lieben heißt für mich auch, Quality-Time mit mir selbst zu verbringen, mir Zeit für mich und mein seelisches und körperliches Wohlergehen zu nehmen und darauf zu hören, wie es mir gerade geht. So liege ich den Grundstein für einen Tag, an dem ich voller Energie bin und gleichzeitig auf mich und mein Wohlergehen achten kann. - Ein positives Körpergefühl hat nichts mit der Optik zu tun
Als eine Frau, die lange Jahre mit einer Körperschemastörung litt, fiel es mir lange sehr schwer, ein positives Körpergefühl zu empfinden, weil ich dieses allein an meine Optik knüpfte – und die nahm ich nur verzerrt wahr. Beim Yoga lernte ich meinen Körper überhaupt erst wirklich kennen – in einer Tiefe, die ich beim Kraftsport oder anderen Sportarten bisher nicht erlebt hatte. Innerhalb weniger Wochen fühlte ich Posen anders, meine Gliedmaßen wurden beweglicher und stärker – meine Haltung änderte sich auch um Alltag, weil ich unbewusst darauf achtete. Posen (Asanas), die ich mir nie zugetraut hätte, gelangen mir plötzlich – bei anderen wiederum landete ich unsanft auf der Nase. Und doch hatten alle einen gemeinsamen Effekt: Eine Wertschätzung für meinen Körper kennenzulernen, die über die Optik weit hinaus ging. Ich merkte auf einmal, was für ein Wunderwerk mein Körper doch ist – an manchen Tagen elegant und geschmeidig, an anderen schwerfälliger und langsam und insgesamt doch so viel fähiger und kraftvoller als ich es jemals vorher wahrgenommen hatte. - Wie ich auf der Matte reagiere, so reagiere ich auch sonst.
„How you do something is how you do everything“ heißt es im Englischen so schön – dieses Sprichwort kann ich in dieser Hinsicht nur bestätigen. Wie ich mit mir auf der Yogamatte umgehe, wenn ich umfalle, eine Pose nicht halten kann, Schmerzen oder Verspannungen empfinde – das sagt viel darüber aus, wie ich sonst im Leben mit mir (und anderen) umgehe: Reagiere ich wütend oder ungeduldig? Bin ich sanft und verständnisvoll? Zu Beginn war ich vor allem genervt. Ich hatte sehr hohe Ansprüche an mich und meinen Körper, genau Vorstellungen, was ich können und wie es aussehen muss. Ich war gefrustet, weil das alles so verdammt einfach und geschmeidig bei der Yogalehrerin auf YouTube aussah! Und ich zitterte und fiel auf die Nase, schwitzte und schnaufte. Mit der Zeit habe ich mich bewusst liebevoller in solchen Momenten aufgefangen – aktiv losgelassen und immer wieder den Fokus darauf gelenkt, dass alles ok so ist, wie es jetzt gerade ist.
Ich habe gemerkt, dass ich, wenn ich auf der Matte nachsichtiger und liebevoller mit mir umgehe, wenn etwas nicht direkt klappt, wende ich das auch im Alltag automatisch an. Die Zeit auf der Matte am Morgen ist daher eine wichtige Übung für „das restliche“ Leben, aber auch eine für mich wertvolle Einstimmung auf den beginnenden Tag. - Körper und Geist beeinflussen einander
Mein Gemütszustand beeinflusst mein Körpergefühl – und umgekehrt. Hast du schon einmal Schulter- oder Kopfschmerzen von starker Anspannung oder Stress bekommen? Merkst du vielleicht auch, dass sich deine Laune ändert, wenn du dich im Spiegel einige Momente frech anlächelst oder bewusst deinen Rücken gerade machst, deine Schultern öffnest? Das liegt daran, dass sich Körper und Geist beeinflussen – ein Phänomen, das sogar wissenschaftlich bereits intensiv untersucht wurde (Beispielsweise der Zusammenhang zwischen Depressionen und Herzerkrankungen, oder die Auswirkung von Depressionen auf unsere Darmgesundheit.) Diese Wechselwirkung kann ich mir zunutze machen: Ich kann meinem Körper etwas gutes tun, indem ich auf meine Psyche achte – und umgekehrt. Mit Yoga kümmere ich mich gleichermaßen um beide Elemente – und verstärke so den positiven Effekt. Die körperlichen Bewegungen kräftigen und dehnen meine Muskeln – und entspannen mich gleichzeitig, helfen mir dabei, achtsamer zu sein. Die geistige Übung dabei, Achtsamkeit, Aufmerksamkeit, das Sprechen von Mantren, besänftigt nicht nur meinen Geist, sondern wirkt sich auch positiv auf meinen Körper aus! (Wenn das mal nicht effizient ist…) - „Find what feels good“
Für meine Selbstliebepraxis ist dieses Credo fundamental wichtig. Es ist der Leitsatz einer meiner liebsten Yoga-Lehrerinnen, Adriene: Find what feels good! (Finde, was dir gut tut!). Für mich war das ein absoluter Gamechanger. Es geht darum, das zu nehmen und zu üben, was mir gut tut, was ich umsetzen kann – und alles andere darf ich beiseite legen. Ich muss nicht sofort jede Pose können – und ich muss sie auch nicht jeden Tag können. Mittlerweile gebe ich mir die Erlaubnis, einfach sein zu können – so wie es mir an dem Tag eben geht. Und wenn ich an diesem Tag nur 20 Minuten in Shavasana liegen könnte, dann wäre das auch ok! (Shavasana wird auch die Totenstellung genannt, weil du einfach auf deinem Rücken liegst, Beine und Arme von dir gestreckt. Diese Pose wird gern ein der End-Entspannung genutzt, um die gute Wirkung der Yogapraxis so richtig tief wirken zu lassen.) - Jede*r ist ein Yogi
Egal, ob dir nach einer herausfordernden Klasse ist, oder nach Entspannung, egal, ob du ein Curvy Girl bist oder vielleicht chronische Rückenschmerzen hast – du bist für Yoga geeignet! Yoga ist für jeden Körper gemacht. Zum einen, weil es unzählige verschiedene Yoga-Stile gibt, aus denen du dir etwas aussuchen kannst und zum anderen, weil du jede einzelne Yogapose auf dich und dein individuelles Empfinden anpassen kannst. So kreierst du deine eigene, auf dich zugeschnittene Praxis, die sich für dich gut anfühlt. Lass dich von den Bildern auf Instagram nicht verunsichern.
Super Beitrag! Motiviert mich sehr!
Das freut mich total, liebe Inga!! <3